viele Leserinnen und Leser fragen mich, wann endlich Teil III kommt. Ich arbeite intensiv an dem Buch. Aber es fehlen mir immer noch ca. 100 Seiten. Ich hoffe trotzdem den anvisierten Veröffentlichungszeitpunkt (November 2017) einhalten zu können.
Hier lüfte ich schon einmal das große Geheimnis um das Cover und stelle euch einen Textschnipsel vor.
Habt einen wundervollen Abend.
Eure Tali
Textschnipsel:
Dortmund anno 1561
K A P I T E
L 1
»Da, was ist das?«
»Was meinst du?«
»Siehst du es denn nicht? Da
vorne. Schau genau hin. Die Luft flimmert in vielen Farben. «
»Das geht nicht mit rechten
Dingen zu. Da ist ein Weib. Sie kam aus dem Nichts. Horst, das ist eine Hexe!«
Immer noch schwindelig von der
mehr oder weniger unfreiwilligen Zeitreise nahm ich Männerstimmen wahr. Ich
muss weg!, riet mir mein Instinkt und trieb mich zur Flucht an.
Ohne nach rechts oder links zu
schauen, rannte ich los. Die Rufe kamen näher. Ich wagte es nicht, mich nach
ihnen umzublicken. Im Geiste sah ich eine pöbelnde Meute mit Mistgabeln und
Knüppeln. Wie viele Verfolger es wirklich waren, wusste ich nicht, und
eigentlich wollte ich es auch nicht wissen. Ich will, dass sie sofort
verschwinden! Aber ich konnte es mir noch so sehr wünschen, sie blieben mir
dicht auf den Fersen, was ich an ihrem heftigen Atem vom schnellen Lauf
deutlich feststellen konnte.
Wo bin ich? Ich kannte mich in meiner Heimatstadt doch aus, aber für eine Orientierung
blieb mir keine Zeit. Ich muss Magie anwenden, dachte ich noch, da
verschwand der Boden unter mir und ich fiel ins Leere.
Mein Fall dauerte nicht lange,
denn ich schlug auf hartem Lehmboden auf, und ehe ich mich aufrappeln und an
eine weitere Flucht denken konnte, hörte ich eine tiefe Männerstimme: »Ha! Wir
haben die Hexe.«
Das fängt ja gut an! Klar war ich für sie eine Hexe. Ich war direkt vor ihnen aus dem
Nichts kommend aufgetaucht. Das musste in ihren Augen Magie sein. Ich konnte es
ihnen nicht einmal verdenken.
Ob Großmutter Katharina ahnte,
was sie mir da gerade angetan hatte? Wahrscheinlich nicht. Sie würde mir
doch nie so etwas Furchtbares antun. Ich erinnerte mich an ihr merkwürdiges
Verhalten, als sie mich ohne zu fragen einfach in das Zeitportal geschubst
hatte. Wo bin ich hier nur wieder hineingeraten?
Jemand schob das restliche
Stroh zur Seite. Es hatte die Falle, in die ich geradewegs gestürzt war,
abgedeckt. In diesem Moment wurde mir bewusst, dass ich immer noch mein kurzes Nachthemd
trug. Ich sprang auf die Beine und zog es nach unten, so gut es ging. Was
werden die Kerle mit mir anstellen? Ich spürte mein Herz in der Brust
jagen, und mein Geist gaukelte mir schreckliche Bilder von Folterszenen vor.
Einer der Männer griff nach
meinem Arm und ließ mich schmerzerfüllt aufkeuchen. Es tat total weh, als er
mich aus dem Loch riss. Am liebsten hätte ich mich gegen ihn gewehrt, doch wie
ich feststellen musste, standen mir zwei Kerle gegenüber. Ich machte mir nichts
vor. Gegen sie hätte ich keine Chance. Es erinnerte mich an die Situation in
Michels ‚Bude‘, die ich mit den Soldaten der NWO erleben musste.
»Wen haben wir denn da?«
»Ich habe sie noch nie vorher
gesehen. Sie stand da plötzlich mitten im Weg.«
»Ich habe sie auch noch nie
gesehen. Wer bist du?«, fragte er mich, während er nach meinem anderen Arm
griff und mich fest schüttelte.
Was soll ich ihnen sagen? Ich versuchte an ihrer Kleidung zu erkennen, in welcher Epoche ich
gelandet war. Sie sahen aus wie Bauern, ähnlich wie zu meiner Zeit, das war das
Jahr des Herrn 1616.
»Du sollst sagen, wer du
bist!« Das Gesicht des Mannes, der mich aus dem Loch gezerrt hatte, kam mir
jetzt sehr nah, fauliger Atem schlug mir entgegen. Seine Kleidung und sein
Körper verströmten ebenfalls einen ekelhaften Mief. Unwillkürlich musste ich an
Helge Schappner denken, der mich damals auf den Scheiterhaufen gebracht hatte.
»Ich bin ...«, stotterte ich
und suchte immer noch nach einer Antwort auf die Frage in meinem Kopf.
»Es ist doch egal, wer sie ist.
Schau sie dir doch an, Ottmar. Sie trägt eindeutig ein Metzengewand und wurde
aus ihrem Dorf gejagt.«
»Aus Köln«, erklärte ich
rasch. Sie sollten ruhig glauben, dass ich eine aus meiner Stadt verjagte Hure
war. Ich musste nur mitspielen.
Sie sprechen auch ähnlich, wie
ich es gewohnt bin. Einige Wörter klangen anders,
aber das kam vielleicht auch von der Herkunft der Männer. Ich vermutete, dass
ich noch weiter in die Zeit zurückgewandert war. Aber ich wagte es auch nicht,
die Kerle nach der tatsächlichen Jahreszahl zu fragen.
»Dann bist du aber schon weit
gelaufen, Hexe. Du siehst so sauber aus.«
Ehe ich mir eine plausible
Antwort einfallen lassen konnte, tat es der andere Mann. »Das ist Hexenkunst.
Aus Köln, jaja. Sie kam aus dem Nichts. Brauchst du noch mehr Beweise?«
Damit war mein Urteil
besiegelt. Sie fesselten mir die Hände hinter dem Rücken. Der grobschlächtige
Kerl, der Ottmar hieß, schulterte mich. Seine Pranke landete auf meinem Po, und
ich fing an zu zappeln, sodass er Probleme bekam, loszulaufen. Dem Himmel sei
Dank trug ich eine Unterhose, was dem Kerl befremdlich erscheinen musste.
Dieses Kleidungsstück dürfte es zu dieser Zeit noch nicht gegeben haben. Ehe
ich mich versah, klatschte er mir so fest auf meinen Hintern, dass ich laut
aufschrie. Es brannte wie Feuer, ich biss verzweifelt die Zähne zusammen und
kämpfte gegen die Tränen an, die sich bereits ihren Weg bahnten.
»Halt still, Hexe, sonst
machen wir hier an Ort und Stelle gleich kurzen Prozess mit dir«, grollte er.
Wo wollen sie mich hinbringen? In diesem Moment vermisste ich Blitz und Donner, meine beiden
Zaubervögel, die meistens zur Stelle waren, wenn ich in dumme Situationen
geriet. Meistens, wohlgemerkt, manchmal glänzten sie aber auch durch
Abwesenheit, wie jetzt gerade zum Beispiel. Ich war mutterseelenallein mit
diesen ungehobelten Burschen und befürchtete das Schlimmste. Die Pranke von dem
Kerl legte sich auf meinen immer noch brennenden Po, und ich blieb, so gut ich
es vermochte, still über seiner Schulter hängen.
Unter mir zog sich ein
staubiger Pfad wie ein unaufhörliches Band hin zu einem mir unbekannten Ziel,
welches die Männer ansteuerten. Hin und wieder hob ich den Kopf an, um die
Umgebung zu erkennen. Aber die endlosen Felder und Bäume, an denen wir
vorbeigingen, sagten mir nichts. Alles war mir fremd. Als ich erneut den Kopf
hob, schlug mich Horst. Sofort drückte ich mein Gesicht gegen Ottmars Schulter,
um nicht noch weitere Schläge zu riskieren. Der Gestank, der mir
entgegenschlug, war ähnlich wie der seines Kumpanen.
Wir hielten abrupt, und der
unangenehme Griff an meinem Po verstärkte sich, sodass ich mich innerlich
versteifte. Sie sprachen mit zwei anderen Männern und brüsteten sich, eine Hexe
gefangen zu haben. Dann flüsterten sie noch etwas, das ich aber leider nicht
verstehen konnte. Nur ihr dreckiges Gegröle zeigte mir eindeutig, dass es etwas
mit mir zu tun haben musste. Ich betete zu der höheren Macht, dass ich bald am
Ende meiner unfreiwilligen Beförderung ankommen würde.
»Ab ins Verlies mit ihr zu den
anderen! Ich sperre euch auf«, zischte eine Stimme, die ich vorher noch nie
gehört hatte.
Ich hörte, wie sich ein
schweres Eisentor öffnete. Wahrscheinlich sind wir in einer Burg, kam
mir die Idee. Der Mann, über dessen Schulter ich immer noch wie ein nasser Sack
hing, setzte sich wieder in Bewegung. Wir überquerten eine Brücke, dann
schlüpfte der Kerl durch eine niedrige Tür. Meine Schulter schrappte an dem
rauen Mauerwerk, und ich schürfte mir die Haut auf. Allerdings konnte ich mir
keine Gedanken darüber machen, denn der Geruch von altem Gemäuer legte sich
stark auf meine Lungen, sodass ich im ersten Augenblick glaubte, ersticken zu
müssen.
Der Kerl stapfte eine enge
Wendeltreppe nach unten und warf mich auf den Boden. Ich konnte einen kurzen
Aufschrei nicht unterdrücken.
Mein Blick fiel auf zwei an
den Wänden angekettete Frauen, die auf gammeligem Stroh mehr oder weniger
hockten.
Sofort war die Erinnerung an
meine Gefängniszelle im Blücherturm wieder präsent. Der Geruch war mir auf
unheimliche Art und Weise vertraut. Ein Schauer lief mir bei der Erinnerung
über den Rücken. Wo bin ich hier nur gelandet? In dieser Zeit, an diesem Ort,
soll mein Auserwählter auf mich warten? Mein Engel? Ob Großmutter Katharina
sich da nicht geirrt hatte? Ich wusste nur eins: Ich befand mich in einem riesigen Dilemma.
Der Typ visierte mich mit
einem hämischen Grinsen an. Ehe ich mich versah, packte er meinen Arm und
kettete mich ebenfalls an einen freien Platz der dreckigen Wand an.
»Hier passt du gut hin. Eine
Hexe und eine Metze haben wir schon. So, wie es den Anschein macht, bist du
eine Metzenhexe. Passt doch sehr gut. Na, egal. Auf jeden Fall wirst du gut
brennen.«
Ich wandte mein Gesicht von
ihm ab, um ihm keine Emotionen zu zeigen. Er sollte nicht sehen, wie groß meine
Angst war. Meine Arme schmerzten jetzt schon von den Ketten, was bedeutete,
dass es bald schlimmer werden würde, oder aber, dass ich mich an die
permanenten Schmerzen gewöhnen würde, was das Beste in meiner Situation wäre.
Die Tür oben schloss sich, und
ich war allein mit den zwei Frauen, die mir als Hure und Hexe vorgestellt
wurden.
»Ich dachte, ihr wärt Hexen.
Warum könnt ihr uns dann nicht freizaubern?«, erklang eine zischende Stimme von
meiner rechten Seite.
Ich drehte den Kopf in die
Richtung und sah nur wirre, lange braune Haare, welche ihr Gesicht verdeckten.
Die Frau trug ein Ketzergewand, wie es Prostituierte tragen mussten. Das war
also die ‚Hure‘. Ich wusste nicht, ob sie mich unter dem vollen Haar überhaupt
sehen konnte. Den Spruch von ihr fand ich ziemlich daneben. Warum sollten die
andere Frau und ich wirklich Hexen sein? Schließlich wurden viele unschuldige
Frauen, die nichts mit Magie am Hut hatten, in den vielen Jahrhunderten als
Hexen verurteilt und hingerichtet.
»Das Gleiche könnten wir dich
fragen.«
Ich blickte zu der anderen
Frau, die an der mir gegenüber liegenden Wand angekettet war. Sie hatte die
ganze Zeit ihr Gesicht auf die Brust gepresst, sodass ich anfangs auch nur ihre
rot-blonden, lockigen Haare erkennen konnte. Nun hatte sie den Kopf leicht
angehoben und sah die Frau wütend an.
Ja, ich hatte mich nicht
geirrt. Ihre Miene war angewidert von dem, was sie sah, und ich hielt dies für
ziemlich vermessen in Anbetracht unserer gemeinschaftlichen schrecklichen Situation.
»Hey«, versuchte ich dieses
anfängliche Streitgespräch im Keim zu ersticken.
Sofort sahen mich beide an.
Ich konnte bei der Dame rechts von mir ein dunkles Auge durch den Haarschleier
erkennen.
»Warum sollen wir uns
streiten? Wir sitzen doch alle im selben Boot. Vielleicht sollten wir uns erst
einmal vorstellen. Wie heißt du?«, fragte Ich die ‚Hure‘, die tatsächlich bei
meinen Worten angefangen hatte, leise zu knurren.
»Apollonia Schmidt.«
»Apollonia, ein schöner Name«,
versuchte ich die Frau zu beruhigen, denn sie strahlte regelrechte
Aggressivität aus.
»Ich bin ...«
»Rose«, kam es von der anderen
Frau, die mir geradewegs gegenüber saß, und ich verstand in diesem Moment die
Welt nicht mehr. Woher weiß sie das? Das kann hier niemand wissen. Wahrscheinlich
hatte ich sie vollkommen verdattert angesehen. Ihre grau-grünen Augen
spiegelten ebenfalls Fassungslosigkeit. Dann verzog sich ihr voller Mund mit
den fein geschwungenen Lippen zu einem überheblichen Lächeln.
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